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11.03.19

Kolumbien: Medellin (3)

Medellín, die Stadt des ewigen Frühlings ("la Ciudad de la Eterna Primavera"), ist die dritte Station auf der Kolumbien-Reise von Tomaso, Ricardo und Alejandro. Hier verbringen wir 3 ereignisreiche Tage die uns jeweils unterschiedliche Eindrücke der (tragischen) Geschichte der Stadt vermitteln.

Im Backpacker-Viertel El Poblado, in dem wir unterkommen, fühlen wir uns wie in einem anderen Land. Es gibt hippe Bars, vegane Restaurants und hochpreisige Nachtclubs. Die Straßen sind voll mit flanierenden Einheimischen und feiernden Touristen. Aber auch die extreme Polizeipräsenz und die vielen Straßen- und Drogenverkäufer fallen uns auf. Zusammengefasst zeigt sich Medellín in El Poblado von einer überraschenden Seite, der Stadtteil könnte sich auch genauso gut in Berlin befinden.



Tag 1 (Tomaso):
Am 6. März buchten R und A eine Tour ins Umland von Medellín. T lag währenddessen im Zimmer, weil er krank war. Am nächsten Tag traten R und T die Tour an - A lag währenddessen im Zimmer, weil er krank war.

Die Tour sollte uns in das äußerst schöne Städtchen Guatapé führen; außerdem zu dem in der unmittelbaren Umgebung befindlichen Riesenfels El Peñol und in verlassene Ruinen von Pablo Escobar, in welchen wir Paintball spielten.

Nachdem nun der Mitstreiter A ausgefallen war, machten sich R und T im Minibus des Anbieters "VIT" auf den Weg. Zunächst stand der wenig interessante
Zwischenstopp in einem nachgebauten historischen Dorf an. Außer Touristenläden gab es hier wenig zu sehen.

Also ging es mit einem Boot zügig weiter zu dem ehemaligen Anwesen von Pablo Escobar. In verlassenen Ruinen spielten wir nun Paintball und gingen mit unserem Team gegen eine Übermacht von sechs kampferprobten Kanadiern unter. Nachdem wir trotz der äußert rudimentären Schutzausstattung glücklicherweise keine ernsthaften Verletzungen zu beklagen hatten, schauten wir noch die vor sich hin verrrottende Villa von Escobar an. In einer nächtlichen Aktion wurden hier von einem feindlichen Kommando (Los Pepes - ein Zusammenschluss von einigen Gruppen, welche sich der Vernichtung von Escobar verschrieben haben) mehrere Löcher in die Wände gesprengt. Die Löcher sind heute noch erhalten.

Nach dieser Besichtigung gab es Essen im Anwesen, welches Escobar nach seiner Tochter Manuela benannte. Wer mochte, konnte sich noch Escobar-Souvenirs kaufen.

Im Anschluss daran ging es weiter zum schon erwähnten Felsen El Peñol. Dieser erhebt sich einsam aus dem relativ flachen Umland und ist 220m hoch. Nachdem wir über 700 Stufen der direkt an den Fels gebauten, steilen Treppe erklommen hatten, bot sich uns ein überragender Ausblick auf das von Wasser und Inseln geprägte Umland, welches ein wenig an skandinavische Schären erinnert.

Danach fuhren wir in die farbenfrohe Stadt Guatapé. Sämtliche Häuser sind hier bunt bemalt, kunstvoll verziert und vor allem sehr gepflegt. Auf dem ebenso komplett bunten Marktplatz tranken wir einen leckeren Kaffee, schlenderten noch etwas durch die Gassen, bis es wieder zurück nach Medellín ging.









Tag 2 (Ricardo):
Wir besuchen den Stadtteil "comuna 13" im Süden Medellins. Leider kann unser Sorgenkind Alejandro krankheitsbedingt erneut nicht mit uns gehen. In einer Free-Walking-Tour erklärt uns James ("visit Medellin Tours") die Geschichte des Stadtteils, welche maßgeblichen Einfluss auf die ganze Stadt hatte.

Zuerst beschreibt James uns die tragischen Zustände während der 80er und 90er Jahre.
In den 80er Jahren besetzte die FARC, linksextreme Guerillas, die comuna 13. Ca 500 Soldaten kontrollierten zehntausende Bewohner des Stadtteils, aus dem sich die staatliche Gewalt völlig zurück gezogen hatte. Durch Gewalt und Tod verbreiteten sie Angst und Schrecken. Auch Pablo Escabar nutze das Viertel als Basis für sein Drogenkartell. Zuletzt versuchten auch noch ultrarechte Paramilitärs unter Führung von "Don Berna" die FARC durch Gewalt aus dem Viertel zu vertreiben. Über mehrere Jahre herrschte also faktisch ein Krieg in der comuna 13, bis Anfang der 2000er Jahre das kolumbianische Militär in das Viertel einmarschierte. In den 80er Jahren hatte Medellín die höchste Mordrate der Welt und am Rande der comuna 13 befindet sich eines der größten Massengräber der Welt.
ies verdeutlicht die Tragödie des Stadtteils wohl am besten.

Anschließend erklärt unser Guide uns, wie die Transformation des Viertels hin zu einem sicheren, bunten Stadtteil gelang. 2011 startete die Stadt Medellín mit umfangreichen Investitionen in Bildung und Infrastruktur um das Viertel zu "transformieren". So wurden in diesem Jahr die weltweit ersten Stadt-Rolltreppen gebaut, um den hügeligen Stadtteil leichter begehbar zu machen. Dies hatte zur Folge, dass die ersten Touristen in die comuna 13 kamen, wovon die Bereiche um die Rolltreppen profitierten. Durch viele weitere Investitionen, Sozialarbeiter und Bildungsmöglichkeiten für die jungen Einwohner bekam das Viertel einen "neuen Anstrich". Legale Graffity-Kunst beschreibt bildhaft die Geschichte des Viertels, sie ist in der Graffity-Szene weltweit bekannt.

Anschließend gehen Ricardo und Tomaso in das "Memory House Museum". Hier kommen Opfer des Terrorregimes des Kartells, der extremen Rechten und Linken Gruppierungen, aber auch des kolumbianischen Militärs und Geheimdienstes zu Wort. Leider ist vieles nicht ins Englische übersetzt. 





Tag 3 (Alejandro):
Der dritte und letzte Tag in Medellín beginnt um 8 Uhr, pünktlich zu einem "ausgiebigen" Frühstück (4 Scheiben Banane, einige zuckrige Cornflakes und ca. 100g Haferflocken mit etwas Joghurt im Tiger Hostel El Problado).

Nach dem Frühstück geht es los in den Park Arví, der lediglich über eine ca. 20 minütige Gondelfahrt zu erreichen ist. Die Gondeln, die in den Park führen, starten bei der Gondelstation "Santo Domingo" . Mit einigem Verhandlungsgeschick gelingt es uns, ein Taxi zu einem erschwinglichen Preis für die Fahrt vom Hostel zur Gondelstation zu gewinnen. Die Gondelfahrt an sich ist äußerst beeindruckend, sie führt zuerst den steilen Talrand hinauf und dann über die dichten Wälder des Parks zur Gondelstation Arví.
Leider ist es auf dem Berg überraschenderweise deutlich kühler als im Tal, in dem Medellín liegt, so dass wir uns entscheiden lediglich schnell einen Tee trinken zu gehen. Hier ist das kleine Restaurant "Cable a tierra vegetarian organic restaurant" zu empfehlen, die Betreiberin ist äußerst liebenswürdig und stellt den Tee in Eigenproduktion her. Am Ende will sie uns sogar einladen, was wir aber nicht annehmen wollen.

Im Anschluss geht's wieder zurück nach Medellín, über die Gondel nach Santo Domingo und von dort aus noch weiter nach unten bis zur Metrostation. 
Die Metro ist nebenbei der ganze Stolz der Einwohner Medellín und die einzige in Kolumbien. Anders als in Deutschland sind die Züge in keinster Weise beschädigt oder dreckig. Dies liegt daran, dass die Metro in einer Zeit gebaut wurde, in der das Land sich in seiner dunkelsten Stunde befand und die Metro so ziemlich das Einzige war, das unfraglich funktionierte. Hierzu aber später mehr.

Mit der Metro ging es nach Medellín Downtown. Hier essen wir ein schnelles Mittagessen und gehen danach zum Treffpunkt für die im voraus gebuchte Free walking Tour, die vom Anbieter "Real City Tours" betrieben wird. Unser Guide Julio, ehemaliger Dozent an der Universität von Medellín, nimmt uns pünktlich in Empfang.
Die Tour beginnt am ehemaligen Bahnhof von Medellín, der inzwischen keinerlei Bedeutung mehr hat. Als Erinnerung an dessen alte Tage ist heute nur noch eine Dampflok auf einem Gleisausschnitt abgestellt.

Diese Gleise dienen als Zeitstrahl für Julio, der die grobe Geschichte Kolumbiens bzw. Medellíns darstellen soll. Diese unterteilt Julio in 4 Abschnitte: "Origins", "Growth", "Tragedy" und "Resurection".
Indigene Völker und die Ankunft der Spanier (ursprünglich auf der Suche nach Gold) sind die maßgeblichen Punkte des Zeitraums "Origins".
Aufgrund von Kaffeeproduktion, für die Kolumbien die perfekten klimatischen Voraussetzungen hat, wächst Medellín mehr und mehr ("Growth").
Seit den 70er Jahren wurde Kolumbien berühmt für die Produktion von Kokain, da es auch für die Kokapflanzen die perfekten Wachstumsvoraussetzungen bietet (vor allem in den höheren Lagen).

Auch entstehen Großfamilien - Konflikte zwischen diesen sind vorprogrammiert.
Es beginnt der Zeitraum der "Tragedy". Julio beschreibt die oben bereits angedeutete dunkelste Zeit von Medellín / Kolumbien. Es ist die Zeit des Medellin Kartells, in dem ehemals rivalisierende Großfamilien von Pablo Escobar vereint wurden. Es kommt sogar zum Krieg zwischen dem Escobar-Kartell "Medellín" und dem kolumbianischen Staat, in dem weitere Akteure (Cali Kartell, Guerillas) beteiligt sind.

Julio ist es äußerst wichtig, im Bezug aus Escobar klar Stellung zu nehmen, in einigen Kreisen wird Escobar als eine Art Volksheld und nicht als Verbrecher, der er war, gesehen.

Im weiteren Verlauf erzählt Julio von den politischen Problemen, vor allem von den Konflikten zwischen Rechtsextremen (AUC), Linksextremen (FARC) den Drogenhändlern und der Regierung.

Für das Kapitel "Resurection", also die Überwindung der "dunklen Zeit", stehen städtebauliche Programme, Sozialarbeit und Beteiligung (siehe auch comuna 13).
Diese vielen Informationen in Verbindung mit Orten und Gebäuden in der Downtown Medellíns sind wirklich interessant.
Eine erwähnenswerte Geschichte ist z.B. die über den Kulturpalast, der (zumindest teilweise) vom belgischen Architekten Augustin Goovaerts entworfen wurde. Noch während des Baus wurde er wohl öfter darauf angesprochen, dass das Gebäude wie eine Kirche aussieht. Dies ärgerte den Architekten so sehr, dass er aus dem Projekt ausstieg. So kam es, dass eine Seite des Palastes im wunderschönen neugotischen Baustil errichtet wurde, die andere Seite (nach dem Ausstieg des Architekten) ist letztlich eine kahle graue, völlig unpassende Mauer, die errichtet wurde, um das Gebäude "fertigzustellen".

Neben vielen weiteren Geschichten stellt Julio noch eine weitere Person in den Vordergrund, den Künstler Fernando Botero. Er entwarf u.a. einige Skulpturen, die in exakt gleicher Form an anderen Orten stehen (beispielsweise das Botero-Pferd am Flughafen von Barcelona).

Wir sprechen viel über das heutige Medellín. Laut Julio besteht im Land keine Erinnerungskultur an die "dunkle Zeit" und die Kolumbianer sind sehr gut im Vergessen. Dies hat unter anderem zur Folge, dass immer mehr junge Einwohner positiv gegenüber Escobar eingestellt sind. Kolumbien ist eines der weniger Länder, in dem es keinen Geschichtsunterricht gibt.

Weiterhin sind die Menschen Medellíns sehr stolz darauf, dass mittlerweile viele Touristen in die Stadt kommen. Während der Tour werden wir öfter freundlich begrüßt und Menschen bedanken sich bei unserem Guide, dass er die Geschichte der Stadt uns Touristen erzählt. So etwas haben wir bisher nirgendwo anders erlebt und wir merken, dass der Tourismus hier äußerst positiven Einfluss hat.

Alles in allem war die Tour ein voller Erfolg und absolut empfehlenswert für alle, die Medellín besuchen. Wir lernten viel über die Geschichte der Stadt und des Landes, vor allem über die dunkle Zeit, die das Ansehen des Landes weltweit immer noch prägt.

Am Abend gehen wir noch entspannt in unserem Viertel El Poblado etwas trinken. Entspannt, da wir am nächsten Tag bereits um 4.30uhr aufstehen müssen, um den Flug nach Pereira zu nehmen.